Die Chance genutzt
Ervis Naci aus Albanien – Vom Arbeiter zum Leiter des Bereichs „Stückig“
„Man hat mir hier die Tür geöffnet, und ich habe mich von Anfang an zu Hause gefühlt. Ich wollte die Chance nutzen, mir hier in Südtirol ein neues Leben aufzubauen.“ Wenn Ervis Naci diese Sätze sagt, schwingen in seiner Stimme noch viele Emotionen mit. Dabei ist es schon 22 Jahre her, dass er mit viel Herzklopfen zum ersten Mal die Hallen von VOG Products betreten hat. Damals konnte er sich mehr schlecht als recht auf Italienisch verständigen, war einfacher Arbeiter. Heute leitet er mit dem Bereich „Stückig“ den größten Produktionsbereich und trägt damit viel Verantwortung innerhalb des Betriebes.
Dass er jemals eine solche berufliche Karriere durchlaufen würde, davon hat Ervis Naci als Kind gar nicht zu träumen gewagt. 1982 geboren, erlebte Ervis seine Heimat von Geburt an im Umbruch. Mit seinen Eltern und seinem um sieben Jahre älteren Bruder Armand wohnte er in der albanischen Hauptstadt Tirana. Das damals kommunistische Albanien galt als „weißer Fleck“ in Europa, weil es sich völlig isoliert hatte. Als Ervis 8 Jahre alt war, begann die Demokratisierung, allerdings unter sehr schwierigen Voraussetzungen, die in Korruption und 1997 sogar im Bürgerkrieg mündeten. „Jeder hatte Waffen daheim“, erinnert er sich heute.
Sein Bruder war der Erste der Familie, der nach dem Sturz des Kommunismus das Land verlassen hatte. 1992 hatte er an einem Wettbewerb der Berufsschule für Handwerk in Bozen für junge Menschen aus dem Ausland teilgenommen. „Er gewann ihn und durfte deshalb kostenlos hier leben und die Schule besuchen“, erzählt Ervis. Sieben Jahre später holte Armand im Zuge einer Familienzusammenführung seinen jüngeren Bruder nach, der soeben eine Oberschule abgeschlossen hatte.
Die ersten Monate waren für den Neuankömmling nicht einfach: „Alles war fremd, ich vermisste meine Eltern, meine Freunde.“ Ervis, damals knapp 18, musste in Südtirol schnell erwachsen werden. Er biss sich durch, lernte Italienisch, verdiente in einem Obstmagazin in Leifers sein erstes Geld und erfuhr einige Monate später über einen Mitarbeiter von VOG Products, dass dort ein Arbeiter für die Produktion gesucht wurde.
Am 9. Oktober 2000 trat Ervis Naci probeweise ins Unternehmen ein. Offenbar überzeugten sein Geschick und seine Motivation. Seine Vorgesetzten erkannten überdies auch die Fähigkeit des jungen Mitarbeiters, Menschen zu führen. Schon wenige Monate später, am 1. April 2000, bekam Ervis einen unbefristeten Arbeitsvertrag und wurde zum Schichtleiter. „Ich überwachte die einzelnen Arbeitsschritte in der Produktion und war auch für die Mitarbeiter dort verantwortlich“, erzählt er. 2016 folgte die nächste Stufe in der Karriereleiter: Ervis stieg zum Schichtführer auf, ein Jahr später übernahm er den größten Produktionsbereich, den Bereich „Stückig“.
2021 erhielt Ervis Naci die Ehrung für die 20-jährige Betriebszugehörigkeit. Er ist stolz darauf, aber auch dankbar. „Ich wurde hier bei VOG Products immer gut behandelt. Das rechne ich allen hoch an.“ Dass er sich vom Arbeiter zum Abteilungsleiter emporgearbeitet hat, habe er sich selbst, aber auch der Betriebsführung zu verdanken: „Man hat mir hier die Chance gegeben, mich weiterzuentwickeln. Diese Chance wollte ich nutzen.“
Welche persönlichen Eigenschaften sind für den nunmehr 40-Jährigen wichtig, um eine Abteilung gut zu leiten? Für Ervis Naci ist die Verantwortung die Basis: „Ob Produktsicherheit oder Mitarbeitermotivation – ich bin für alles der erste Ansprechpartner und der, der letztendlich entscheidet.“ Auch Teamgeist sei essenziell. Nicht zuletzt müsse man selbst Freude an der Tätigkeit haben. Und die hat Ervis, der inzwischen mit einer Landsfrau verheiratet und Vater dreier Söhne im Alter von 9, 7 und 4 Jahren ist. Seine Motivation gibt ihm auch die Energie, die er nach der Arbeit braucht, denn ruhig wird ein Feierabend mit seinen aufgeweckten Kindern selten.